Es gibt Situationen, bei denen man einen Fehler begeht und nachher die Konsequenz tragen muss. Es gibt aber auch Situationen – so wie heute – bei denen man hinterher den Ablauf der Geschehnisse noch und nöcher im Kopf abspielt und einfach keine bessere Lösung findet. Und sich trotzdem mit der Konsequenz auseinandersetzen muss. Kurzum: Ja, die rote Karte war – wenn man es genauestens betrachtet – regelkonform. Aber ich weiß wirklich nicht, wie man die Situation anders hätte lösen können.
Ich wusste, dass mein heutiges Rennen in Hamburg sehr emotional sein wird. Aber eigentlich dachte ich, dass es positive Emotionen sein würden. Es sollte schließlich mein letztes Rennen auf der Langdistanz sein und ich hatte den Zieleinlauf mitten in der Stadt fest im Visier.
Mit allem hatte ich im Vorfeld gerechnet, aber nicht damit, was dann passiert ist:
Bei Kilometer 45 kam ich zu einer Versorgungsstation. Ich wollte mein Lenkersystem mit Wasser auffüllen und hatte alle Flaschenhalter am Rad besetzt. Zu Beginn der Station habe ich drei Flaschen nicht zu fassen bekommen. Also bin ich an allen Tischen vorbeigefahren, um am Schluss der Station noch ein Wasser zu ergattern, was mir auch gelungen ist. Kurz darauf kam der Behälter zur Entsorgung. Aber wirklich so kurz danach, dass ein Auffüllen des Lenkersystems absolut unmöglich war. Obwohl ich die Geschwindigkeit stark reduziert hatte, war ich noch mit Auffüllen beschäftigt und mir ganz sicher, dass es weitere Behälter etwas später geben würde. Sobald die Wasserflasche leer war, habe ich sie dann seitlich weggeworfen.
Und schon kamen die Pfiffe vom Kampfrichter hinter mir: „Disqualifikation wegen Littering außerhalb der Zone“. Ich war völlig irritiert und habe gefragt, was ich denn bitte mit der Flasche hätte machen sollen. „Dein Problem“ sagte er. Dann habe ich erwähnt, dass ich sicher war, die Zone könne noch nicht um sein, so schnell kann niemand seine Flasche füllen. Die Antwort: „Dann musst du halt besser schauen“. Ich war sprachlos. Ich dürfe das Rennen noch fertig fahren, werde aber nicht gewertet. Ich bin die Runde auch fertig gefahren, aber nur eine Runde.
Auch jetzt noch: So lange ich überlege fällt mir keine Idee ein, was man mit der Flasche hätte machen sollen… 20 Kilometer in der Hand halten? An dem Auffangbehälter am Ende der Zone anhalten, auffüllen und dann weiterfahren? Muss man das von Athleten erwarten, die um Platzierungen kämpfen und beste Leistung an dem Tag abrufen wollen?
Wann ist von „Littering“ die Rede?
Ich dachte immer das bedeutet, dass man kein Gel oder leere Flaschen sonstwo in die Prärie werfen soll um die Umwelt zu schützen. Aber knapp hinterhalb der Versorgungsstation bei einer viel zu kurz geplanten Littering Zone – wie von vielen anderen Athleten bestätigt wurde? Der Kampfrichter war schon die ganze Zeit hinter mir und hat genau gesehen, dass ich zu Beginn drei Fehlversuche hatte und mich echt beeilt habe mit dem Nachfüllen. Könnte man da nicht auf etwas mehr Fingerspitzengefühl hoffen?
Mich betrübt die Frage, wo die Verhältnismäßigkeit ist. Ich habe nicht sportlich unfair gehandelt, niemanden behindert oder mir einen Vorteil verschafft. Muss man dann Athleten gleich komplett aus dem Rennen nehmen? Monatelange Vorbereitung zerstören? Das Abschiedsrennen zunichte machen? Wegen einer etwas zu spät weggeworfenen Wasserflasche?
Nun denn, am Freitag hat mich Tom für den Ironman Schweden angemeldet. Für alle Fälle meinte er, falls ich einen Raddefekt hätte. Gestern war die Deadline. Auch wenn ich heute wirklich mehr als traurig bin, haben wir beschlossen, nach vorne zu blicken und in drei Wochen in Kalmar den Abschied meiner Profi-Karriere zu feiern. Und dort dann mit Schwimmen…
Ich möchte mich bei allen bedanken, die an die Strecke gekommen sind und am LiveTicker mitgefiebert haben. Wir alle haben uns auf die Finishlineparty gefreut und es tut mir wahnsinnig leid, dass wir hier nicht zum Zuge kamen. Auch all die Athleten, die mich unterwegs noch angefeuert haben, nicht wissend, dass ich schon längst aus dem Rennen bin.
Ihr seid alle spitze. Danke Euch!